Die eigene Kanzlei: Tipps für die Gründungsphase

Haben Sie versteckte unternehmerische Talente? Die könnten Ihnen zugutekommen, wenn Sie über die Gründung einer eigenen Kanzlei nachdenken, denn Sie stehen vor vielen Herausforderungen: Der Finanzierung der Kanzlei, Marketing, Buchhaltung, Personalmanagement, Versicherungen…
Es gibt viel mehr zu berücksichtigen, als nur passende Büroräume zu finden. Aber lassen Sie sich nicht abschrecken! Sie haben das Jura-Studium geschafft, dann packen Sie auch den Sprung in die Selbständigkeit. Und wir liefern Ihnen eine kleine Checkliste für die Kanzleigründung.
Inhalt
Versicherungen für Rechtsanwält:innen
Flüchtigkeitsfehler passieren schnell: Ein zu spät eingereichter Widerspruch beispielsweise kann fatale Auswirkungen für Ihre Mandant:innen haben. Damit Sie in solchen Fällen nicht mit Ihrem Privatvermögen haften müssen, brauchen Sie eine Haftpflichtversicherung und die ist keine Option: Gemäß § 51 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) sind Sie per Gesetz dazu verpflichtet, eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung über eine Mindestversicherungssumme von 250.000 Euro pro Schadensfall abzuschließen. Das gilt unabhängig von der Rechtsform auch für jeden Anwalt oder jede Anwältin in Berufsausübungsgemeinschaften.
Pflicht ist natürlich die (private oder gesetzliche) Kranken- und Pflegeversicherung. Optional, aber durchaus empfehlenswert, sind eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung und möglicherweise auch eine freiwillige Arbeitslosenversicherung.
Den Versicherungsnachweis benötigen Sie, bevor Sie Ihre Anwaltszulassung beantragen. Überlegen Sie auch, ob Ihnen die Mindestversicherungssumme reicht – in der Regel ist das der Fall. Für exponierte Mandate mit hohem Risiko benötigen Sie jedoch möglicherweise besseren Schutz vor Haftungsgefahren und sollten daher Ihre Police immer im Hinterkopf behalten. Eine Berufshaftpflichtversicherung für Anwälte oder Anwältinnen sichert Sie beispielsweise ab, falls Mandant:innen sich in Ihrer Kanzlei verletzen sollten.
Je nach Sicherheitsbedürfnis sollten Sie auch eine Cyber-Versicherung für die Folgen von Hackerangriffen und eine Inhalts- und Elektronikversicherung für Schäden an der Büroausstattung und den Ausfall technischer Geräte durch Einbruch, Brand oder Wasserschaden in Betracht ziehen.
Anwaltliches Berufsrecht & Bürokratie
Zur Gründung Ihrer eigenen Kanzlei brauchen Sie natürlich erst die Zulassung zur Anwaltschaft. Diese beantragen Sie bei der Rechtsanwaltskammer Ihres Kammerbezirks und reichen – je nach Region –mindestens folgende Unterlagen mit dem Antrag ein:
- Foto
- Lebenslauf
- Berufshaftpflichtversicherung
- beglaubigtes Prüfungszeugnis (Examensurkunde über das zweite Staatsexamen)
Sie erhalten Ihre Zulassungsurkunde im Rahmen der Vereidigung. Mit der Zulassung ist immer die Pflicht zum Eintritt in die Rechtsanwaltskammer verbunden. Automatisch erfolgt die Mitgliedschaft im Versorgungswerk der Rechtsanwält:innen und Steuerberater:innen, das Ihre Rentenversorgung sicherstellt.
Mit der Zulassung sind Sie nach § 27 Abs. 1 BRAO zur Kanzleigründung verpflichtet (außer, Sie starten in ein Anstellungsverhältnis mit einer bestehenden Kanzlei), und zwar in dem Bezirk der Kammer, bei der Sie Mitglied sind. Zu den Mindestanforderungen an eine Kanzlei gehören in der Regel ein Büro, Kanzleischild (in der Privatwohnung mit dem Vermieter oder der Vermieterin abklären!), Telefonanschluss sowie ein Briefkasten für Zustellungen. So wird § 5 Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) zumindest interpretiert, in dem es etwas schwammig heißt, ein zugelassener Anwalt sei verpflichtet „die für seine Berufsausübung erforderlichen sachlichen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen in Kanzlei und Zweigstelle vorzuhalten“. Ob es im Rahmen von Homeoffice, beA, Fernmandaten und Videokonferenzen noch nötig ist, Mandant:innen physisch zu empfangen oder zusätzlich zum Google-My-Business-Profil und der Website auch ein Kanzleischild am Haus anzubringen, sei dahingestellt.
Die Anwaltszulassung bringt die Pflicht zur Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) mit sich. Wie Sie den Zugriff einrichten, erklärt die Bundesrechtsanwaltskammer Schritt für Schritt. Das beA hat vom Start weg immer wieder für Aufregung gesorgt. Infomieren Sie sich deshalb genau über Ihre Pflichten bei der Nutzung des Postfachs. Einige Aufreger und Stolperfallen haben wir auch für Sie zusammengefasst.
Als Freiberufler:in müssen Sie kein Gewerbe anmelden, aber beim zuständigen Finanzamt ihre freiberufliche Tätigkeit anzeigen. Schicken Sie dafür innerhalb eines Monats nach der Gründung den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung per Post ans Finanzamt oder auf elektronischem Weg, beispielsweise über ELSTER.
Kosten & Finanzierung der Kanzleigründung
Ob Absolvent:innen oder angestellte Anwält:innen – wenn Sie sich selbständig machen möchten, brauchen Sie ein gewisses Startkapital für Büroausstattung, Hardware, Software, die Kaution, Miete, Versicherungen, Rechtsanwaltsversorgung, Kammermitgliedschaft und vieles mehr. Das Startkapital hängt auch davon ab, ob Sie eine Kanzlei gründen oder übernehmen. Falls Sie nicht alleine starten möchten, sind auch andere Rechtsformen denkbar, beispielsweise eine Sozietät, eine Partnergesellschaft, Kapital- oder Aktiengesellschaft, die dann mit anderem Kapitalbedarf, anderen Chancen und Risiken verbunden sind.
Und natürlich müssen Sie eine Weile überleben können, bis Sie die ersten Honorare abrechnen können. Eine Nebentätigkeit als Telefonanwalt ist bis dahin beispielsweise eine elegante Lösung: Als selbständige Partnerkanzlei können Sie sich auf einen gesicherten Honorarumsatz verlassen, selbst bestimmen, wie viele Stunden Sie telefonisch beraten möchten und Sie starten direkt mit einer interessanten und anspruchsvollen anwaltlichen Tätigkeit.
Denken Sie von Anfang an betriebswirtschaftlich: Erstellen Sie einen Business-Plan, um sich über die Finanzplanung sowie Chancen und Risiken Ihres Konzepts klar zu werden. Wie hoch ist Ihr Kapitalbedarf und wie wollen Sie ihn finanzieren? Die KfW vergibt beispielsweise Gründungskredite, aber auch Bund und Länder sowie die Arbeitsagentur unterstützen Existenzgründer:innen mit Zuschüssen und Förderungen. Setzen Sie sich auch frühzeitig mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) auseinander und erarbeiten Sie ein Vergütungsmodell, in dem Sie Umsätze und Rentabilität planen.
Betrachten Sie den Markt, auf dem Sie tätig werden wollen und positionieren Sie sich entsprechend – als Generalist:in, Fachanwalt oder Fachanwältin und abhängig von Ihrem Standort. Schauen Sie sich die Profile Ihrer Mitbewerber:innen an, finden Sie heraus, wer Ihre Zielgruppe ist, welche Sorgen und Nöte diese Mandant:innen haben und wie Sie sie durch Online-Marketing oder andere Akquise-Maßnahmen erreichen können. Und binden Sie am besten frühzeitig einen Steuerberater oder eine Steuerberaterin in die Planung Ihres Unternehmens „Kanzlei“ mit ein, schließlich sind Sie einkommens- und umsatzsteuerpflichtig. Je besser Sie Ihren Business-Plan durchdenken, umso weniger unternehmerische Überraschungen erwarten Sie in oder nach der Gründungsphase.
Büroräume, Ausstattung & Personal für Anwaltskanzleien
Wie soll Ihre Kanzlei strukturiert sein? Um Fixkosten in der Gründungsphase möglichst gering zu halten, gibt es dank New Work Konzepten und Digitalisierung diverse Möglichkeiten: Im Homeoffice oder in einer Bürogemeinschaft zu starten, kann die Initialkosten um einiges mindern. Eine Alternative sind Coworking Spaces, die jedoch bestimmten Anforderungen an Datenschutz und Verschwiegenheit sowie die Mindestanforderungen an eine Kanzlei erfüllen müssen. Mit einem virtuellen Sekretariat können Sie zu Beginn oder vielleicht sogar langfristig Personalkosten sparen.
Möchten Sie Mitarbeiter:innen anstellen, vergessen Sie nicht, bei der Arbeitsagentur eine Betriebsnummer zu beantragen. Die benötigen Sie, um Ihre sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter:innen bei der jeweiligen Krankenkasse und Berufsgenossenschaft anzumelden.
Kanzlei-Marketing
Eine ansprechende Kanzlei-Website und gutes Online-Marketing kosten in der Startphase sicherlich ein paar Euro – sofern Sie beides nicht selbst in die Hand nehmen. Genauso wenig sollten Sie auf Ihre digitale Visitenkarte, das Google Unternehmensprofil (ehemals Google My Business), verzichten. Das Google Unternehmensprofil können Sie vor allen anderen Online-Aktivitäten einfach und schnell selbst anlegen und werden dadurch sofort für potentielle Mandat:innen sichtbar.
Legal Tech für Kanzleien
Für viele Herausforderungen und Prozesse innerhalb einer Kanzlei gibt es inzwischen gute digitale Lösungen:
- Fallmanagement
- Kommunikation mit Mandant:innen
- Abrechnung und Gebührenerfassung
- Vertrags- und Dokumentenmanagement
- Forschung, Analyse & Wissensmanagement
- Risikomanagement
Nutzen Sie die Chance, von der viele ältere Kolleg:innen träumen: Sie müssen nicht erst die Datenflut der vergangenen 15 Kanzleijahre digitalisieren, sondern können frisch starten und Ihre Arbeitsprozesse und Mandate von Anfang an digital annehmen und organisieren. Auf diese Weise vermeiden Sie Aktenstapel und können ortsunabhängig arbeiten. Vor allem aber haben Sie die Möglichkeit, Ihre Fallinformationen, Termine und Aufgaben effizient zu organisieren.
Investieren Sie deshalb ausreichend Zeit und Geld in die Auswahl und Implementierung von Legal Tech Lösungen. Die passenden Legal Tech Tools können beispielsweise im Fallmanagement Zeit sparen, indem sie Routineaufgaben automatisieren, im Vertragsmanagement Fehlerpotentiale minimieren oder Ihnen bei der Abrechnung und Forderungen durch Billing-Systeme viel Ärger ersparen.
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