5 klassische Fallstricke bei der Abrechnung
Reden wir über Geld: Im Idealfall haben Sie Ihren Fall gewonnen, Ihre Mandant:innen sind glücklich und alles, was Sie noch machen müssen ist, die Rechnung zu schreiben. Doch auf den letzten Metern zu Ihrem verdienten Lohn liegen noch einige Tücken. Und diese können Sie meist bares Geld kosten. Wir haben für Sie 5 häufige Fallstricke bei der Abrechnung zusammengestellt:
Inhalt
Vergleichsmehrwert nicht vergessen
Kommt es in einem Verfahren zu einem Vergleich, spart das den Gerichten Zeit und Arbeit. Bei der Gelegenheit vergleichen die Parteien oft auch Streitwerte aus Klagen, die noch bei keinem Gericht rechtshändig sind, „gleich mit“. Da Sie so in einem Aufwasch mehrere Angelegenheiten für Ihre Mandant:innen gelöst haben, wirkt sich der Vergleichsmehrwert auf die Gebühren aus.
Achtung: Nicht bei jedem Vergleich, bei dem noch etwas geregelt wird, das nicht rechtshängig war, ist auch ein Vergleichsmehrwert zu berücksichtigen. Grundsätzlich müssen die im Vergleich geregelten Gegenstände vor Abschluss des Vergleichs streitig oder ungewiss gewesen sein. Sprich: Nur wenn durch den Vergleich ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden, ergibt sich ein Vergleichsmehrwert (OLG München Az. 24 U 1530/19).
Folgende Vergleichsregelungen genügen nicht für einen Vergleichsmehrwert (LAG Berlin-Brandenburg Az. 26 Ta (Kost) 6034/19):
- Regelungen, durch die Leistungspflichten erstmals begründet oder beseitigt werden
- Regelungen, die Rechtsverhältnisse lediglich klarstellen
- oder auf sonstige Weise ausschließlich einen zukünftigen Streit der Parteien vermeiden
- sowie Forderungen einer Partei in den Vergleichsverhandlungen, um dann im Wege des Nachgebens einen Vergleich zu erreichen.
Beispiel: Ihr Mandant streitet mit seinem Arbeitgeber darüber, ob seine verhaltensbedingte Kündigung wirksam ist. In diesem Fall kann man davon ausgehen, dass auch das Führungs- und Leistungsverhalten des Mandanten strittig ist. Kommt es nun zu einem Vergleich mit einer entsprechenden Zeugnisregelung, ist somit ein weiterer Rechtsstreit vorzeitig erledigt. Daher können Sie einen Vergleichsmehrwert bei der Berechnung der Einigungsgebühr berücksichtigen.
Der Wert eines Vergleichs ergibt sich aus den Streit- und Gegenstandswerten der rechtshängigen und nichtrechtshängigen Ansprüche, die erledigt werden. Wie hoch die vereinbarte Abfindung in einem Vergleich ist, ist daher für die Bestimmung des Vergleichsmehrwertes nicht maßgeblich (LAG Köln Az. 4 Ta 122/16). Sprich: Vergleichswert ist das, worüber man sich vergleicht, nicht worauf.
Gebührenberechnung bei einem Gesamtvergleich
Bei einem Gesamtvergleich von mehreren rechts- und nichtrechtshändigen Ansprüchen verkompliziert sich die Berechnung der Verfahrens- und Termingebühren sowie der Einigungsgebühr.
Wenn nicht anhängige Ansprüche mitverglichen werden, beläuft sich die Einigungsgebühr auf 1,5 (Nr. 1000 VV RVG). Werden aber bereits rechtshändige Ansprüche mitverglichen, beläuft sich die Einigungsgebühr lediglich auf 1,0 (Nr. 1003 VV RVG).
Achtung: Nach § 15 Abs. 3 RVG können Sie maximal 1,5 Einigungsgebühr aus dem Gesamtgegenstandswert fordern. Übersteigen die addierten Gebühren aus den verglichenen Verfahren diesen Höchstwert, werden die Gebühren „gekappt“. Sind die Einzelbeträge jedoch geringer als der Höchstwert, können Sie auch nur die addierten Einzelbeträge einfordern.
Zusätzlich dazu entsteht für ein anhängiges streitiges Verfahren noch die umgangssprachliche „Verfahrensdifferenzgebühr“ (Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG). Hierfür können Sie 0,8 Gebühren aus dem Wert der nicht anhängigen Ansprüche berechnen. Auch hier gilt aber eine Kappungsgrenze (§ 15 Abs. 3 RVG): Insgesamt dürfen Sie nicht mehr als 1,3 Verfahrensgebühr aus den addierten Werten berechnen.
Gut zu wissen: Auch nach der Reform des RVG-Rechts im Jahr 2021 blieben die bisherigen Wertstufen gleich. Allerdings wurden die Gebührenbeträge angehoben, die neuen Beträge finden Sie in der Gebührentabelle.
Rechnungen richtig adressieren
Klingt banal, aber es kommt immer wieder vor, dass Rechnungen an die falsche Adresse geschickt werden. Ihre Rechnung geht immer an Ihre Mandant:innen, nie an die Rechtsschutzversicherung oder an die Gegenseite.
Hebegebühr nicht vergessen
Übergeben Mandant:innen Ihnen zum Beispiel Geld, damit Sie damit eine fristgerechte Überweisung tätigen, können Sie für diesen Aufwand eine Hebegebühr verlangen. Handelt es sich dabei jedoch um Überweisungen an eine Behörde oder ein Gericht, können Sie keine Hebegebühr berechnen (Anmerkung Absatz 5 zu Nr. 1009 VV-RVG).
Im Regelfall bekommen Ihre Mandant:innen die Hebegebühr von der gegnerischen Haftpflichtversicherung nicht erstattet. Allerdings gibt es zwei Ausnahmen: Hat die Gegenseite das Geld ohne Aufforderung an Sie überwiesen, erstattet die Versicherung die Hebegebühr. Das gleiche gilt auch, wenn es sich um eine komplizierte Unfallschadensregulierung handelt, bei der die Überwachung der Zahlungsabwicklung erforderlich ist.
Tipp: Am besten vom Gegner an die Mandant:innen direkt zahlen lassen, dann haben Sie weniger Aufwand mit der Buchhaltung.
Berechnung der Hebegebühr:
Höhe des verwahrten Geldbetrages | Hebegebühr nach Nr. 1009 VV-RVG |
X<2.500 Euro | 1 Prozent des verwahrten Geldbetrages |
2.500 Euro<X<10.000 Euro | 0,5 Prozent dessen, was 2.500 Euro übersteigt + „Grundgebühr“ |
10.000 Euro<X | 0,25 Prozent dessen, was 10.000 Euro übersteigt + „Grundgebühr“ |
Rechenbeispiel: Sie sollen für Ihren Mandanten 7.500 Euro verwahren und anschließend überweisen. Da der Betrag 2.500 Euro übersteigt, fallen schon mal 25 Euro „Grundgebühr“ an (2.500 Euro x 1 Prozent = 25 Euro). Für die restlichen 5.000 Euro können Sie 0,5 Prozent als Hebegebühr (also 25 Euro) berechnen. Die Hebegebühr beläuft sich demnach insgesamt auf 50 Euro.
Fahrtkosten richtig abrechnen
Bei einer Geschäftsreise dürfen Sie natürlich die entstandenen Fahrtkosten in Rechnung stellen. Doch nicht jede Fahrt ist automatisch eine Geschäftsreise. Sie können Mandant:innen nur Fahrtkosten berechnen, wenn Sie dabei das Gebiet der politischen Gemeinde, in der Sie wohnen oder in der Sie Ihre Kanzlei unterhalten, verlassen (Vorbem. 7 Abs. 2 VV RVG).
Achtung: Bei Großstädten, wie Berlin oder Hamburg, gibt es häufig mehrere Amtsgerichtsbezirke. Müssen Sie von Ihrem Amtsgerichtsbezirk in einen anderen fahren, ist das dennoch keine Geschäftsreise.
Nutzen Sie Ihr eigenes Kraftfahrtzeug für die Geschäftsreise, können Sie für jeden gefahrenen Kilometer 0,42 Euro (Stand 2021) in Rechnung stellen (Nr. 7003 VV RVG – Stand 2020). Angefangene Kilometer werden auf einen vollen Kilometer aufgerundet. Nutzen Sie für Ihre Geschäftsreise ein anderes Verkehrsmittel, sind die Fahrtkosten (sofern sie angemessen sind) in voller Höhe erstattungsfähig (Nr. 7004 VV RVG).
Achtung: Haben Sie statt einem anderen Verkehrsmittel einen teuren Flug gebucht, sind diese Kosten nur angemessen, wenn Sie durch den Flug erheblich Zeit einsparen.
Mit welchem Verkehrsmittel Sie Ihre Geschäftsreise machen, steht Ihnen grundsätzlich frei. Ihr Mandant oder Ihre Mandantin kann bei der Abrechnung nicht darauf verweisen, dass ein anderes Verkehrsmittel günstiger gewesen wäre (OLG Frankfurt Az. 12 W 196/05).
Gut zu wissen: Parkgebühren zählen (sofern sie angemessen sind) zu den sonstigen Auslagen einer Geschäftsreise und sind in voller Höhe erstattungsfähig.
Erledigen Sie auf einer Geschäftsreise Aufträge für mehrere Mandant:innen müssen Sie die Kosten anteilig an den Gesamtkosten in Rechnung stellen.
Beispielrechnung: Sie fahren für einen Gerichtstermin nach Augsburg und danach weiter nach Ingolstadt. Ihre Fahrtkosten belaufen sich am Ende auf 120 Euro. Wären Sie nur nach Ingolstadt und zurückgefahren, würden sich die Fahrtkosten auf 80 Euro belaufen. Wären Sie nur nach Augsburg und zurückgefahren, wären es 60 Euro. Insgesamt also 140 Euro.
Für die Fahrt nach Ingolstadt berechnen sich die Fahrtkosten nun wie folgt: 120 Euro x (80/140) Euro = 68,57 Euro.
Und für die Fahrt nach Augsburg wäre es: 120 Euro x (60/140) Euro = 51,43 Euro.
Richtigen Streitwert ermitteln
Bei vielen Verfahren (sofern es sich nicht gerade um Zahlungsaufforderungen oder ähnliches handelt) ist der Streitwert auch für Richter durchaus schwierig zu beziffern.
Um den vom Gericht festgelegten Streitwert einzuschätzen, können Sie die Streitwertkataloge benutzen:
- Streitwertkatalog für Finanzrecht (Stand 2021)
- Streitwertkatalog für Sozialrecht (Stand 2017)
- Streitwertkatalog für Verwaltungsrecht (Stand 2013)
- Streitwertkatalog für Arbeitsrecht (Stand 2018)
Achtung: Die Streitwertkataloge sind lediglich eine Entscheidungshilfe für die Richter. Ob das Gericht dieser Empfehlung folgt oder nicht, ist ihm überlassen.
Gut zu wissen: In der Regel können alle an einem Verfahren beteiligten Parteien und die beteiligten Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen eine Streitwertbeschwerde einlegen, wenn ihnen der vom Gericht festgelegte Streitwert nicht angemessen erscheint (§ 33 Abs. 3 RVG). Das geht allerdings erst bei Fällen, in denen der Beschwerdewert 200 Euro übersteigt. Die Gebühren, die bei richtiger Streitwertfestsetzung anfallen, müssen also mindestens 200 Euro höher ausfallen als ursprünglich.
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