Urlaub in der Anwaltskanzlei – was Anwält:innen beachten sollten

Published by Anne on

Urlaub in der Anwaltskanzlei – was Anwält:innen unbedingt beachten müssen

Sie können es kaum noch erwarten, ein paar Tage Pause einzulegen? Auch Anwält:innen haben Anspruch auf Erholung. Doch juristisch gesehen ist Urlaub kein „Offline-Bereich“: Die Berufspflichten laufen weiter. Wer in Deutschland als Rechtsanwält:in tätig ist, muss daher dafür sorgen, dass Mandate auch während der Abwesenheit ordnungsgemäß betreut und insbesondere keine Fristen versäumt werden.

Kernpunkt ist eine funktionierende Kanzleiorganisation, die sicherstellt, dass Posteingänge (inkl. beA) überwacht, Fristen notiert und eingehalten sowie Mandant:innen informiert werden. Urlaub ist Privatsache – die Folgen schlecht organisierter Abwesenheit können jedoch haftungs- und berufsrechtliche Konsequenzen haben.

Anwaltsurlaub rechtssicher gestalten: Pflichten zu Fristen, beA und Vertretung

Fristenkontrolle:

Alle gerichtlichen, behördlichen und vertraglichen Fristen, die in den Urlaubszeitraum fallen könnten, müssen rechtzeitig geprüft und entweder vor Urlaubsbeginn erledigt oder durch eine verlässliche Vertretung abgesichert werden. „Urlaub“ entschuldigt grundsätzlich kein Fristversäumnis.

Vertretungsregelung:

Einzelanwält:innen und Sozietäten müssen nach § 53 BRAO sicherstellen, dass während einer Abwesenheit eine anwaltliche Vertretung verfügbar ist, die Fristen erkennt und erforderliche Maßnahmen (z. B. Fristverlängerungsanträge, einfache Schriftsätze) ergreifen kann. Das umfasst auch Zugang zum beA und Zugriff auf relevante Kanzleisoftware (§ 54 BRAO). Für Vertretung müssen Sie sorgen, wenn Sie länger als eine Woche daran gehindert sind, Ihren Beruf auszuüben oder mehr als 2 Wochen von der Kanzlei abwesend sind.

Der zu bestellende Vertreter hat im Wesentlichen die Aufgabe der Postüberwachung. Zur Einarbeitung in einen ihm fremden Fall zum Zwecke der Terminvertretung ist der Vertreter nicht verpflichtet (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.2.2025, A 13 S 959/24).

Überwachung von beA und Posteingang:

Der elektronische Posteingang im besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) sowie physische Post und Fax müssen auch im Urlaub regelmäßig kontrolliert werden. Die Organisation muss so gestaltet sein, dass fristgebundene Schreiben nicht unentdeckt bleiben.

Gerichtliche Termine:

Bereits feststehende Termine sind bei der Urlaubsplanung zu berücksichtigen. Ist ein Termin nicht mit dem Urlaub vereinbar, kommen frühzeitige Terminsverlegung oder die Beauftragung eines Terminsvertreters oder einer Terminsvertreterin in Betracht. War der Urlaub zum Zeitpunkt des Zugangs der Ladung schon gebucht, hat ein Gericht laut VGH Baden-Württemberg dem Antrag auf Verlegung eines Gerichtstermins stattzugeben. Dies gilt als erheblicher Verlegungsgrund im Sinne der §§ 173 Satz 1 VwGO, § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Informationspflicht gegenüber Mandant:innen:

Mandant:innen sollen wissen, wann ihre Anwältin bzw. ihr Anwalt nicht persönlich erreichbar ist und wer in dringenden Fällen als Ansprechperson einspringt.

Berufshaftung und Organisation:

Eine unzureichende Urlaubsvertretung kann zu Haftungsfällen führen. Eine dokumentierte und gelebte Kanzleiorganisation (Fristenkontrolle, Vertretungsregelungen, Posteingangskontrolle) ist daher unverzichtbar.

Datenschutz und Verschwiegenheit:

Zugriff auf Akten und Post im Urlaubsfall darf nur befugten Personen gewährt werden. Bei externer Vertretung sind Vertraulichkeit und technische Sicherheit zu gewährleisten.

Checkliste: Anwaltsurlaub rechtssicher planen und Fristversäumnisse vermeiden

Diese Checkliste kann vor jedem Urlaub Punkt für Punkt durchgegangen werden:

Fristenkalender prüfen:

  • Alle Fristen im geplanten Urlaubszeitraum und kurz danach durchsehen.
  • Wenn möglich: Schriftsätze vorziehen und vor Urlaubsbeginn einreichen.

Vertretung festlegen:

  • Konkrete anwaltliche Vertretung bestimmen (intern oder extern).
  • Verantwortlichkeiten klären: Wer überwacht welche Akten, Fristen und Verfahren?

Zugriff und Organisation sicherstellen:

  • Zugriff der Vertretung auf Akten und Kanzleisoftware einrichten.
  • beA-Organisation so gestalten, dass der Posteingang kontrolliert und fristwahrend reagiert werden kann.
  • Interne Abläufe für Post-/Faxeingang klären.

Gerichtstermine managen:

  • Prüfen, ob in den Urlaubszeitraum mündliche Verhandlungen fallen.
  • Ggf. rechtzeitig Terminsverlegung beantragen oder eine:n Terminsvertreter:in beauftragen.

Mandant:innen informieren:

  • Bei laufenden, sensiblen Mandaten: kurze Vorabinfo über Urlaubszeitraum und Vertretung.
  • Transparente Erreichbarkeitsregelung kommunizieren.

Abwesenheitsnotizen einrichten:

  • E-Mail-Abwesenheitsnotiz mit Zeitraum, Vertretungskontakt und Hinweis auf eingeschränkte Erreichbarkeit.
  • Telefonansage/Kanzleiansage anpassen.

Datenschutz und Verschwiegenheit beachten:

  • Nur befugte Personen erhalten Akten- und Systemzugang.
  • Bei externer Vertretung: Vertraulichkeit und sichere Übermittlung von Unterlagen sicherstellen.

Dokumentation:

  • Kanzleiinterne Urlaubs- und Vertretungsregelung schriftlich festhalten.
  • Abläufe regelmäßig prüfen und bei Bedarf anpassen.

Mit einer durchdachten Urlaubsorganisation lässt sich der Anwaltsberuf mit echter Erholung gut vereinbaren. Wer Fristenkontrolle, Posteingang, Vertretung und Mandantenkommunikation im Griff hat, kann den Laptop im Urlaub guten Gewissens zugeklappt lassen.

Weitere Urteile zu Fristversäumnissen und Kanzleiorganisation im Überblick:

Urlaubsbedingt schlecht organisierte Fristen sind nur ein Beispiel dafür, wann Gerichte keine Nachsicht kennen. Auch in anderen Konstellationen – etwa bei Organisationsmängeln in der Kanzlei, krankheitsbedingten Ausfällen oder technischen Problemen – haben Gerichte Fristversäumnisse streng bewertet.

Zum Weiterlesen: Werfen Sie gern einen Blick auf unsere ausgewählten Entscheidungen zu Fristversäumnissen und Kanzleiorganisation:


Anne

Anne

Anne hat Medien- und Wirtschaftswissenschaften studiert und in verschiedenen Print- & TV-Redaktionen gearbeitet, für Produktionsfirmen und als Producer. Bei der DAHAG schreibt sie unter anderem Online-Ratgeber zu diversen juristischen Themen.