Berufungsfrist versäumt: Keine Anwaltshaftung bei aussichtsloser Berufung

Veröffentlicht von Redaktion am

Richter mit Hammer in Gerichtssaal

Versäumt ein Anwalt oder eine Anwältin die Berufungsfrist, kann dies grundsätzlich zu einer Haftung führen. Doch was passiert, wenn die Berufung ohnehin keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte? Das Landgericht (LG) Karlsruhe hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass in einem solchen Fall keine Haftung besteht (Urteil vom 09.08.2024 – 6 O 202/23).

Der Fall: Rentner klagt gegen seine Anwältin

Ein Rentner hatte seine Anwältin auf Schadensersatz verklagt, weil sie die Berufungsfrist in einem sozialgerichtlichen Verfahren versäumt hatte. Der Kläger begehrte eine ungekürzte Erwerbsminderungsrente, nachdem die Deutsche Rentenversicherung (DRV) seinen Antrag nur teilweise bewilligt hatte.

Der Fehler lag jedoch nicht allein bei der Anwältin: Der Rentner hatte den Rentenantrag von einem Rentenberater ausfüllen lassen und ihn anschließend ungelesen unterschrieben. Dadurch enthielt der Antrag falsche Angaben zum Versorgungsausgleich und zum Tod seiner geschiedenen Ehefrau. Das Sozialgericht (SG) hatte seine Klage bereits abgewiesen, weil ihn ein eigenes grobes Verschulden traf.

Entscheidung des Gerichts: Fehlende Kausalität einer möglichen Pflichtverletzung

Das LG Karlsruhe wies die Klage gegen die Anwältin ab. Entscheidend sei nicht, ob die Frist schuldhaft versäumt wurde, sondern ob eine fristgerechte Berufung überhaupt Erfolg gehabt hätte. Dies sei nicht der Fall gewesen, da den Rentner ein so gravierendes Eigenverschulden an der falschen Antragstellung traf, dass er sich nicht auf Fehler Dritter berufen konnte.

Das Gericht stellte klar, dass das „blinde“ Unterschreiben eines Antrags ohne Prüfung der Angaben eine grob fahrlässige Pflichtverletzung darstelle. Besonders relevant sei dies, da der Kläger selbst früher als Versicherungsvertreter tätig war und somit die Relevanz der Angaben hätte erkennen müssen.

Auch die DRV traf laut LG keine Pflicht, die Angaben des Rentners abzugleichen. Damit war eine erfolgreiche Berufung ausgeschlossen, sodass die Anwältin nicht für den entstandenen Schaden haftete.

Was Anwältinnen und Anwälte aus diesem Urteil mitnehmen können

Die Entscheidung des LG Karlsruhe verdeutlicht wichtige Aspekte der Anwaltshaftung:

  • Kausalität prüfen: Eine versäumte Frist führt nicht automatisch zur Haftung – entscheidend ist, ob die Berufung erfolgversprechend gewesen wäre.
  • Eigenverschulden des Mandanten: Grobe Sorgfaltspflichtverletzungen des Mandanten können eine Berufung aussichtslos machen.
  • Dokumentation von Erfolgsaussichten: Anwälte sollten frühzeitig dokumentieren, ob eine Rechtsverfolgung erfolgversprechend erscheint.