Zulässige Google-Bewertung: Meinungsfreiheit schützt scharfe Kritik an Anwaltskanzlei

Die Grenzen zulässiger Online-Bewertungen beschäftigen regelmäßig die Gerichte – insbesondere dann, wenn es um Kanzleikritik geht. In einem aktuellen Urteil hat das OLG Stuttgart klargestellt: Selbst scharfe Kritik an der anwaltlichen Leistung kann vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sein (Urteil vom 29.09.2025 – Az. 4 U 191/25).
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Mandant übt deutliche Kritik – Kanzlei klagt
Auslöser war eine Google-Rezension eines ehemaligen Mandanten, der sich mit deutlichen Worten über eine arbeitsrechtlich beratende Kanzlei äußerte. Er hatte seiner Arbeitgeberin ein Plagiat vorgeworfen und wurde anschließend mit möglichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen konfrontiert. Nach rund einem Monat beendete er das Mandat und veröffentlichte seine Kritik online. Die beanstandeten Formulierungen reichten von „konsequent unvorbereitet“ bis zu dem Aufruf: „Halten Sie sich von dieser Anwaltskanzlei fern.“
Die Kanzlei sah darin unzulässige Schmähkritik und zog vor das LG Tübingen – mit zunächst teilweisem Erfolg.
OLG Stuttgart: Meinungsfreiheit hat Vorrang
In der Berufungsinstanz entschied das OLG Stuttgart jedoch zugunsten des Rezensenten. Das Gericht stufte sämtliche Aussagen als Meinungsäußerungen ein. Selbst Formulierungen mit tatsächlichem Bezug, etwa die Behauptung, der Mandant habe seinen Anwalt an Fristen erinnern müssen, seien im Gesamtkontext von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt.
Das Gericht betonte, dass die Aussagen zwar das Unternehmenspersönlichkeitsrecht berührten, jedoch keine Schmähkritik oder Formalbeleidigung darstellten. Entscheidend sei, dass ein durchschnittlicher Leser erkenne, dass es sich um subjektive Einschätzungen eines juristischen Laien handelt.
Relevante Grundlagen für die Kritik vorhanden
Der Senat stellte fest, dass für die geäußerten Kritikpunkte tatsächliche Anknüpfungspunkte vorlagen. So sei der Anwalt etwa mit Verzögerung auf Rückfragen zum Bearbeitungsstand eingegangen oder habe rechtliche Aspekte wie den Sonderkündigungsschutz nicht proaktiv thematisiert. Damit unterliege auch überspitzte Kritik – wie sie in der Rezension verwendet wurde – dem Schutz der Meinungsfreiheit.
Meinungsäußerung versus Tatsachenbehauptung
Die Entscheidung verdeutlicht die hohe Schwelle, die für das Verbot von Online-Kritik anzulegen ist. Selbst pauschale und pointierte Aussagen sind zulässig, solange sie nicht bewusst unwahr oder rein schmähend sind. Das Gericht hob hervor, dass in der digitalen Öffentlichkeit zugespitzte Formulierungen oft notwendig seien, um Aufmerksamkeit zu erzielen – dies sei Teil der demokratischen Meinungsbildung.
Was Anwälte aus dem Urteil mitnehmen sollten
Checkliste: Umgang mit negativer Online-Bewertung
- Prüfen Sie den Charakter der Aussage: Handelt es sich um eine Meinungsäußerung oder um eine Tatsachenbehauptung?
- Achten Sie auf den Kontext: Wie wirkt die Bewertung auf den durchschnittlichen Leser? Kommt eine persönliche Abrechnung oder sachliche Kritik zum Ausdruck?
- Nachweisbare Unwahrheiten identifizieren: Nur objektiv falsche Tatsachenbehauptungen sind angreifbar.
- Keine vorschnellen Klagen: Gerichte werten den Schutzbereich der Meinungsfreiheit regelmäßig sehr weit – mit hohen Anforderungen an Unterlassungsansprüche.
- Reputation aktiv managen: Reagieren Sie professionell auf Kritik – gegebenenfalls öffentlich, stets aber mit Bedacht.