Kein elektronisches Empfangsbekenntnis (eEB), aber Urteil zugegangen?

Die Digitalisierung der Justiz stellt Anwält:innen vor neue Herausforderungen – insbesondere bei der Zustellung elektronischer Dokumente über das beA. Doch was passiert, wenn ein Anwalt den Empfang eines Urteils nicht bestätigt und die Vorlage seines beA-Nachrichtenjournals verweigert? Das Oberlandesgericht beziehungsweise Kammergericht Berlin entschied nun, dass eine Fristversäumnis nicht durch fehlende Empfangsbestätigung ausgehebelt werden kann (Beschluss vom 24.01.2025, Az. 7 U 17/24).
Inhalt
Wann gilt ein elektronisch zugestelltes Urteil als zugegangen?
Im vorliegenden Fall wurde einem Anwalt ein Urteil am 17. Januar 2024 über sein beA zugestellt. Das Landgericht erhielt eine elektronische Eingangsbestätigung, jedoch blieb das erforderliche Empfangsbekenntnis aus – selbst nach zweimaliger Aufforderung. Daraufhin wurde das Urteil Anfang März erneut per Postzustellungsurkunde zugestellt. Am 15. März reichte der Anwalt schließlich Berufung ein.
Das KG Berlin hatte erhebliche Zweifel an der Fristwahrung und forderte den Anwalt zur Erklärung auf. Doch weder legte er sein beA-Nachrichtenjournal vor noch reagierte er auf die gerichtlichen Anordnungen. Letztlich wurde die Berufung als unzulässig verworfen.
Entscheidung: Berufungsfrist versäumt – Zustellung nach § 189 ZPO geheilt
Das KG Berlin entschied, dass die Berufung verspätet war. Dabei ließ es offen, ob eine wirksame Zustellung nach § 173 ZPO zwingend ein elektronisches Empfangsbekenntnis (eEB) erfordert. Denn nach § 189 ZPO gilt ein Dokument spätestens in dem Moment als zugestellt, in dem es tatsächlich zugegangen ist.
Die Argumentation des Kammergerichts stützt sich auf mehrere Aspekte:
- Elektronische Eingangsbestätigung: Das Urteil wurde dem Anwalt am 17. Januar übermittelt und die elektronische Empfangsbestätigung lag dem Gericht vor.
- Untätigkeit des Anwalts: Die wiederholte Weigerung, das beA-Nachrichtenjournal vorzulegen, wurde als Indiz gewertet, dass der Anwalt die Nachricht bereits vor dem 15. Februar zur Kenntnis genommen hatte.
- Anwaltsverpflichtungen: Nach berufsrechtlichen Vorgaben müssen Anwält:innen bei längerer Abwesenheit eine Vertretung organisieren. Eine vierwöchige Verzögerung bis zur tatsächlichen Kenntnisnahme sei daher nicht plausibel.
Das KG stellte klar, dass Anwält:innen nicht durch bloßes Schweigen oder die Verweigerung der Empfangsbestätigung die Fristenkontrolle umgehen können.
Praxistipps: Worauf Anwält:innen bei beA-Zustellungen achten sollten
Die Entscheidung zeigt, dass sich Anwält:innen nicht auf formale Lücken berufen können, wenn elektronische Zustellungen im Raum stehen. Folgende Punkte sind zu beachten:
- beA regelmäßig kontrollieren – Eine Fristversäumnis aufgrund unterlassener Kontrolle kann gravierende Folgen haben.
- Empfangsbekenntnisse zeitnah abgeben – Die Weigerung kann als Indiz für eine frühere Kenntnisnahme gewertet werden.
- beA-Nachrichtenjournal bereithalten – Es kann im Streitfall als Beweis für den Empfangszeitpunkt dienen.
- Vertretung bei Abwesenheit organisieren – Eine mehrwöchige Abwesenheit ohne Regelung wird nicht akzeptiert.
- Proaktive Kommunikation mit dem Gericht – Reagieren Anwält:innen nicht auf gerichtliche Aufforderungen, kann dies zu negativen Entscheidungen führen.
0 Kommentare