Schadensersatz bei unerwünschter Werbepost: Wegweisendes Urteil des EuGH

Veröffentlicht von Anne am

Richter mit Hammer in Gerichtssaal

Wann sind die Nerven so strapaziert, dass ein immaterieller Schaden wegen unerwünschter Werbemails vorliegt? Mit dieser Frage musste sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Fall eines Anwalts beschäftigen, der gegen Werbepost des juristischen Recherchedienstes Juris vorging und Schadensersatz wegen des Datenschutzverstoßes forderte.  (Urteil vom 11.04.2024 – C-741/21)

Schadensersatz wegen rechtswidriger Datenverarbeitung zu Werbezwecken?

Ein Rechtsanwalt hatte sich gegen unerwünschte Werbepost des juristischen Recherchedienstes Juris zur Wehr gesetzt. Trotz Widerrufs seiner Einwilligungen zum Erhalt von Newslettern und explizitem Widerspruch gegen die Verwendung seiner Daten zu Werbezwecken erhielt er weiterhin Werbebriefe von Juris. Die Briefe enthielten eine individuelle Zeichenfolge, die auf der Website von Juris eingegeben werden konnte, um eine Bestellmaske mit persönlichen Angaben des Anwalts aufzurufen. Der Anwalt machte geltend, dass Juris seine Daten rechtswidrig verarbeitet habe und forderte Schadensersatz nach Art. 82 der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO). Zunächst vor dem LG Saarbrücken, bis die Angelegenheit schließlich dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde.

Entscheidung des Gerichts

Der EuGH stellte klar, dass nach Art. 82 DS-GVO ein Schadensersatzanspruch voraussetzt, dass ein konkreter materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist. Die reine Verletzung subjektiver Rechte reicht nicht aus. Ein „Verlust der Kontrolle“ über die eigenen Daten kann jedoch einen solchen Schaden darstellen, der auch im 85. Erwägungsgrund der DS-GVO aufgeführt wird.

Weiterhin erklärte der Gerichtshof, dass sich Unternehmen nicht darauf berufen können, dass möglicherweise ein Mitarbeiter die Datenverarbeitung entgegen den Anweisungen durchgeführt hat.

Zudem betonte der EuGH, dass es bei der Bemessung des Schadensersatzanspruchs auf den konkret erlittenen Schaden der betroffenen Person ankommt und nicht darauf, ob mehrere Verstöße gegen dieselbe Person vorliegen.

Checkliste für Anwältinnen und Anwälte

Was Sie aus dem Urteil mitnehmen können:

  • Verlust der Datenkontrolle als Schadensposition: Erinnern Sie Ihre Mandant:innen daran, dass der Verlust der Kontrolle über ihre personenbezogenen Daten einen immateriellen Schaden darstellen kann, der unter Umständen ersatzfähig ist.
  • Nachweis eines konkreten Schadens: Machen Sie deutlich, dass für einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DS-GVO der Nachweis eines konkreten Schadens erforderlich ist. Reine Rechtsverletzungen ohne nachweisbaren Schaden reichen nicht aus.
  • Unternehmensverantwortung: Sensibilisieren Sie Unternehmen für ihre Verantwortung in Bezug auf die Datenverarbeitung. Der Einwand, Mitarbeiter:innen hätten entgegen der Anweisungen gehandelt, entbindet nicht von der Haftung.
  • Bemessung des Schadensersatzanspruchs: Beraten Sie hinsichtlich der Bemessung des Schadensersatzanspruchs darauf, dass es auf den konkret erlittenen Schaden ankommt. Es ist irrelevant, ob mehrere Verstöße im selben Datenverarbeitungsvorgang vorliegen.
  • Dokumentation und Widerspruch: Betonen Sie die Wichtigkeit der Dokumentation von Einwilligungswiderrufen und Widersprüchen gegen Datenverarbeitungen, um im Streitfall Beweismittel vorlegen zu können.

Anne

Anne

Anne hat Medien- und Wirtschaftswissenschaften studiert und in verschiedenen Print- & TV-Redaktionen gearbeitet, für Produktionsfirmen und als Producer. Bei der DAHAG schreibt sie unter anderem Online-Ratgeber zu diversen juristischen Themen.

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