Gericht lehnt Terminverlegungsantrag erst im Urteil ab – BFH rügt Gehörsverletzung

Darf ein Gericht einen fristgerecht gestellten Antrag auf Terminverlegung erst im Urteil ablehnen – ohne vorherige Rückmeldung an den Antragsteller? Der Bundesfinanzhof (BFH) sieht hierin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und stärkt damit die anwaltliche Planungssicherheit (BFH, Beschluss vom 26.09.2025 – III B 112/24).
Inhalt
Antrag auf Terminverlegung wegen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten
Ein Partner der mandatierten Sozietät beantragte 3 Tage vor einem anberaumten Verhandlungstermin beim Finanzgericht (FG) die Verlegung des Termins. Der eigentlich zuständige Anwalt sei akut erkrankt und nicht reise- bzw. arbeitsfähig, wie ein ärztliches Attest belegte. Der Antrag enthielt zudem die Erklärung, der Arzt sei von seiner Schweigepflicht entbunden worden. Der Sozietätspartner selbst konnte den Kollegen nicht vertreten – er war durch andere, langfristig feststehende Verfahren verhindert. Auch der Versuch, über AdvoAssist eine Terminvertretung zu organisieren, blieb erfolglos.
Das Gericht ließ die mündliche Verhandlung dennoch stattfinden – ohne Beteiligung der Klägerseite. Erst im klageabweisenden Urteil lehnte es den Antrag auf Verlegung des Termins ab: Das vorgelegte Attest sei nicht hinreichend konkret und die Entbindung von der Schweigepflicht mangels Unterschrift des Erkrankten unwirksam. Auch die Verhinderung des Partners sei nicht substantiiert begründet.
BFH: Rechtliches Gehör verletzt – Gericht ließ keine Nachbesserung zu
Der BFH hob das Urteil im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde auf. Ein rechtzeitig gestellter Antrag auf Terminverlegung dürfe nicht erst im Urteil unter dem Gesichtspunkt unzureichender Substantiierung oder Glaubhaftmachung zurückgewiesen werden – ohne vorherige Gelegenheit zur Nachbesserung. Dies stelle eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar.
Die Richter machten deutlich: Bei fristgerechten Anträgen gelten weniger strenge Anforderungen als bei „Last-Minute“-Verlegungswünschen. Hier hätte das Finanzgericht die Klägerseite darauf hinweisen müssen, dass es Zweifel an der Schlüssigkeit des Antrags habe, und die Möglichkeit zur Ergänzung oder Konkretisierung einräumen müssen.
Ärztliches Attest und Terminkollision: Anforderungen an die Substantiierung
Der BFH kritisierte nicht, dass das Finanzgericht streng auf die formellen Anforderungen an Attest und Schweigepflichtentbindung geachtet hatte – wohl aber die fehlende Möglichkeit zur Nachbesserung. Auch die Bewertung der Terminverhinderung des Partners als unsubstantiiert sei isoliert betrachtet nachvollziehbar, doch selbst hier hätte das Gericht – angesichts der erkennbaren Bemühungen um einen Ersatz – zumindest Rückmeldung geben müssen.
Die Konsequenz: Bei einem rechtzeitig eingereichten Antrag auf Terminverlegung muss das Gericht Zweifel oder Beanstandungen klar kommunizieren – es darf den Antrag nicht kommentarlos in der Urteilsbegründung ablehnen.
Checkliste: Worauf Anwältinnen und Anwälte bei Terminverlegungsanträgen achten sollten
- Fristgerechte Antragstellung: So früh wie möglich beantragen, idealerweise mit einem zeitlichen Puffer.
- Substantiierter Vortrag: Krankheitsgründe mit konkreten Angaben zur Art der Erkrankung und Arbeitsunfähigkeit belegen.
- Formgerechtes Attest: Name, Datum, Diagnose (soweit zumutbar), Dauer der Verhinderung – am besten unterzeichnet und mit Schweigepflichtentbindung.
- Vertretungsversuch dokumentieren: Nachweise über die Suche nach Ersatz, zum Beispiel über AdvoAssist oder Netzwerke.
- Verhinderung anderer Sozietätsmitglieder begründen: Auch eigene Terminkollisionen müssen nachvollziehbar dargelegt werden.
- Bei Unsicherheit: Nachhaken beim Gericht – um eine mündliche oder schriftliche Einschätzung zur Aussicht auf Verlegung zu erhalten.