Portfolio-Analyse für Kanzleien: So identifizieren Sie Ihre Cash Cows

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Portfolio-Analyse für Kanzleien: So identifizieren Sie Ihre Cash Cows

Viele Anwaltskanzleien arbeiten hart – aber nicht alle arbeiten wirtschaftlich. Eine strukturierte Portfolio-Analyse ihrer Kanzlei kann Anwältinnen und Anwälten helfen, herauszufinden, welche Mandate profitabel sind und wo ungenutztes Potenzial liegt.

Auch wenn Kanzleien keine klassischen Unternehmen sind, zahlt sich wirtschaftliches Denken im Anwaltsberuf dennoch aus. Wer seine „Cash Cows“ kennt – also die stabilen Ertragsbringer im Mandatsportfolio analysiert – kann Ressourcen gezielter einsetzen und die Rentabilität nachhaltig steigern.

Indem Sie Ihre „Cash Cows“ identifizieren, schaffen Sie also die Basis für strategische Entscheidungen und eine Grundlage für nachhaltigen Erfolg. Gerade für Einzelanwält:innen und kleine Kanzleien lohnt sich eine klare wirtschaftliche Ausrichtung – denn hier sind die Ressourcen knapp, die Zeitfenster eng und jede Entscheidung wirkt sich unmittelbar auf den Kanzleialltag aus.

Dabei muss der Idealismus nicht auf der Strecke bleiben. Viele Juristinnen und Juristen entscheiden sich bewusst für Rechtsgebiete wie Sozialrecht, Mietrecht oder Strafverteidigung – auch wenn diese finanziell oft weniger attraktiv sind. Diese Arbeit ist unverzichtbar für den Rechtsstaat und das soziale Gleichgewicht. Eine wirtschaftliche Betrachtung der Kanzlei schließt gesellschaftliches Engagement allerdings nicht aus. Im Gegenteil: Wer seine Ressourcen gezielt steuert, schafft sich den Freiraum, auch weniger lukrative, aber gesellschaftlich wichtige Mandate weiterhin verantwortungsvoll betreuen zu können.

Warum sich Portfolio-Analysen lohnen

Viele Kanzleien entwickeln sich organisch: Neue Mandant:innen kommen auf Empfehlung, Viele Kanzleien entwickeln sich organisch: Neue Mandant:innen kommen auf Empfehlung, Bestandsmandate wachsen mit der Zeit. Dabei bleibt oft unklar, welche Mandate tatsächlich profitabel sind und welche Ressourcen binden, ohne nennenswerte Erträge zu liefern.

Eine systematische Portfolio-Analyse hilft, Transparenz zu schaffen und muss dabei nicht komplex oder technisch sein. Oft genügt schon eine einfache Tabelle oder ein monatlicher Rückblick, um sich folgende Fragen zu stellen:

  • Welche Mandate liefen wirtschaftlich besonders gut?
  • Welche Mandatsarten binden überdurchschnittlich viele Ressourcen?
  • Wo entstehen verdeckte Kosten?
  • Bei welchen Mandaten stand der Aufwand in keinem Verhältnis zum Ertrag?
  • Welche Anfragen oder Fälle lehne ich innerlich schon beim ersten Lesen ab – und warum?

Das Ziel: Ressourcen gezielter einsetzen und smarter wachsen. Unternehmerischer Erfolg ist nicht ausschließlich Kanzleien vorbehalten, die in Rechtsgebieten mit überdurchschnittlichem Verdienst wie dem Handels-, Insolvenz-, Bank- oder Kapitalmarktrecht tätig sind. Gerade in kleinen Kanzleien zählt jeder Mandatsentscheid doppelt. Folgende Methoden helfen Einzelanwält:innen, ihr Portfolio gezielt zu steuern – effizient und nachhaltig.


Praxistipps für Einzelanwält:innen und kleine Kanzleien

  1. Zeit-Tracking nutzen: Selbst einfache Tools wie Toggl oder Excel helfen, realistisch einzuschätzen, wie viel Zeit bestimmte Mandate tatsächlich kosten.
  2. Jährliche Mandatsbilanz ziehen: Eine kurze Auswertung nach Rechtsgebiet, Aufwand, Umsatz und Zufriedenheit bringt oft überraschende Erkenntnisse.
  3. Kleines Repertoire – große Wirkung: Konzentrieren Sie sich auf 2–3 Tätigkeitsfelder, in denen Sie effizient arbeiten können – statt sich in zu vielen Rechtsgebieten zu verzetteln.
  4. Nebeneinkünfte clever nutzen: Viele Einzelanwält:innen nutzen zum Beispiel telefonische Rechtsberatung, Schulungen oder Onlinekurse als stabile Zusatzeinnahmequelle – ebenfalls eine Form moderner Cash Cow.

Schritt-für-Schritt-Anleitung: Portfolio-Analyse im Detail

Schritt 1: Die richtigen Kennzahlen der Kanzlei erfassen

Wenn Sie sich dem Thema noch intensiver widmen möchten, hilft es, Ihre Mandate mittels einer Portfolio-Analyse zu clustern. Bevor Sie mit der Analyse beginnen, benötigen Sie belastbare Daten. Erfassen Sie für jedes Mandat:

  • Umsatz: Honorarzahlungen, Pauschalen, Zusatzleistungen
  • Bearbeitungsaufwand: Arbeitsstunden von Partner:innen, Associates und Assistenzkräften
  • Fremdkosten: Gerichtskosten, Gutachterkosten, externe Dienstleister
  • Erfolgsquote: Gewonnene Verfahren, positive Abschlüsse
  • Mandant:innenbeziehung: Wiederkehrende Mandate, Empfehlungen, Cross-Selling-Potenzial (Weiterempfehlung an Fachanwält:innen anderer Rechtsgebiete innerhalb der Kanzlei)

Eine übersichtliche Erfassung dieser KPIs (Key Performance Indicator), also wichtiger Kennzahlen für Ihre Kanzleiziele, ist von entscheidender Bedeutung. Viele Kanzleisoftware-Lösungen bieten passende Module, alternativ kann auch eine Excel-Tabelle genügen – wichtig ist die systematische Vorgehensweise.

Natürlich gelten für Kanzleien andere Kennzahlen als für Unternehmen: In der Matrix der Boston Consulting Group (BCG) steht die x-Achse (relativer Marktanteil) für Wettbewerbs-/ Ertragsstärke. Bei Kanzleien spiegelt das am besten Umsatz beziehungsweise Deckungsbeitrag pro Mandat (oder pro Mandatstyp) wider.

Die y-Achse (Marktwachstum) der BCG steht für Attraktivität / Zukunftsfähigkeit, also Wachstumspotenzial. In der Kanzlei steht hier der „Bearbeitungsaufwand“ und der ist umgekehrt attraktiv: wenig Aufwand = hoch attraktiv. Daher können Sie die Achse als negativen Aufwand interpretieren oder als Effizienzgrad (hoch = wenig Aufwand).

Schritt 2: Segmentieren Sie Ihr Kanzlei-Portfolio

Teilen Sie Ihre Mandate zunächst in sinnvolle Segmente ein. Typische Segmentierungen sind:

  • Rechtsgebiete (z. B. Arbeitsrecht, Mietrecht, Handelsrecht)
  • Mandantentypen (z. B. Privatpersonen, kleine Unternehmen, Konzerne)
  • Mandatsarten (z. B. Einzelfallberatung, Dauerberatung, Prozessvertretung)

Innerhalb dieser Segmente können Sie nun Durchschnittswerte und Ausreißer identifizieren.

Beispiel: Vielleicht stellen Sie fest, dass arbeitsrechtliche Mandate für Privatpersonen nur 15 Prozent Ihres Umsatzes ausmachen, aber 40 Prozent Ihrer Arbeitszeit binden – ein klassisches Warnsignal.

Schritt 3: Cash Cow, Stars, Question Marks und Poor Dogs Ihrer Mandate

Angelehnt an die klassische BCG-Matrix (Boston Consulting Group) verwenden wir:

  • x-Achse: wirtschaftliche Stärke (Umsatz/Deckungsbeitrag je Mandat oder Mandatstyp)
  • y-Achse: Effizienz = inverse Bearbeitungszeit/Aufwand (hoch = wenig Aufwand)

So können Sie Ihre Mandate in vier Kategorien einteilen:

CASH COWS – Profitable Mandate mit hohem Umsatz und geringem Aufwand (hoch x / hoch y):

Eine Einzelanwältin im Mietrecht betreut seit Jahren mehrere große Hausverwaltungen – sie erhält regelmäßig gleichartige Fälle (z.B. Mieterhöhungen, Kündigungen, Räumungsklagen) mit geringem Abstimmungsaufwand. Diese stabilen Einnahmen sichern ihre Grundauslastung – klassische Cash Cows. Ihr Hebel liegt in der Standardisierung und Skalierung.

Weitere Beispiele:

  • Vertragsprüfungen für Bestandskunden (z. B. AGB-Check für KMU):
    Wiederkehrende Aufträge, standardisierbar, hoher Vertrauensvorschuss
  • Arbeitsrechtliche Abfindungsverhandlungen:
    Häufig standardisierte Verfahren mit hoher Erfolgsquote und guter Honorierung

STARS – Mandate mit hohem Umsatz und hohem Aufwand (hoch x / niedrig y):

Ein Anwalt für Verkehrsrecht bekommt zunehmend Mandate zu E-Mobilität und autonomem Fahren. Noch aufwendig, aber mit großem Potenzial – hier lohnen sich möglicherweise Investitionen in Know-how, Vorlagen, Legal-Tech-Tools und Teamprozesse, die den Aufwand senken. Ihr Hebel liegt also in der Steigerung der Effizienz.

Weitere Beispiele:

  • Beratung im Bereich Legal Tech oder Datenschutz (z. B. DSGVO-Compliance-Projekte):
    Stark wachsender Markt, aber komplexe Anforderungen
  • Immobilienrecht für Bauträger oder Fonds:
    Projektbegleitung mit hohen Honoraren, aber auch mit erheblichem Aufwand und hoher Komplexität – hier ist das Prozess- und Ressourcenmanagement entscheidend

QUESTION MARKS – geringer Beitrag, aber effizient (niedrig x / hoch y):

Kleine Standardaufgaben, die schnell erledigt sind, aber (noch) zu wenig Marge bringen. Die Chance liegt im Volumen-Effekt: Wenn sich diese „Kleinen“ in großer Zahl bündeln lassen kippen sie schnell zu Cash Cows (hoch x / hoch y). Das erreichen Sie, indem Sie das Pricing (Pauschalen, Mindesthonorare) und die Produktisierung sauber ziehen, also eine wiederkehrende Dienstleistung in ein klar definiertes “Produkt” verwandeln – mit festem Leistungsumfang, standardisiertem Ablauf, klaren Ergebnissen, Preismodell und Lieferzeit.

Beispiele:

  • „Kleine“ Vertrags- oder Urkundenprüfungen, die schnell gehen, aber zu niedrig bepreist sind
  • Serielle Auskünfte/Schriftsätze, die sich gut mit Vorlagen und Textbausteinen standardisieren lassen

POOR DOGS – geringer Beitrag, hohe Bearbeitungszeit und somit unattraktiv (niedrig x / niedrig y);

Eine Kanzlei übernimmt vereinzelt Asylverfahren, obwohl der persönliche und bürokratische Aufwand hoch ist und die staatliche Vergütung begrenzt. Diese Mandate sollten Sie für sich einordnen: Möchten Sie sie aus gesellschaftlicher Verantwortung bewusst weiterführen und wirtschaftlich abfedern, oder künftig konsequent begrenzen?

Bei anderen „Poor Dogs“-Mandaten stellt sich die Frage nach dem Potenzial – hier kann gezielte Investition erforderlich sein. Sie sollten sie nur behalten, wenn klare Aussichten auf Effizienzsprünge oder strategischen Nutzen bestehen – sonst fokussiert reduzieren, zum Beispiel:

  • Start-up-Beratung auf reiner Erfolgsbasis:
    Innovative Mandanten, aber unsichere Honorarperspektive
  • Spezialisierungen in neuen Rechtsgebieten (z. B. Kryptowährungsrecht):
    Zukunftschancen, aber aktuell noch unsicherer Markt und wenig feste Honorarmodelle

Cash Cows sind das Rückgrat Ihrer Einnahmen: stabile Einnahmequellen, oft mit Stammmandant:innen oder Serienfällen. Stars bieten möglicherweise ein großes Wachstumspotenzial, wenn Sie die Effizienz heben. Poor Dogs müssen kritisch geprüft werden und sind entweder Kandidaten für eine Reduktion oder können sich mit Investitionen lohnen. Und die Question Marks haben Entwicklungspotenzial durch Standardisierung, Produktisierung und Skaleneffekte oder eine Anpassung der Konditionen.

Doch gerade bei den Question Marks oder Poor Dogs kann auch Raum für persönliches Engagement entstehen: ein Bereich, in dem Sie Ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen – ermöglicht durch die wirtschaftliche Stabilität Ihrer Kanzlei. So können Sie bewusst Fälle übernehmen, bei denen nicht das Honorar, sondern der soziale Wert im Vordergrund steht.

Portfolio-Analyse für Kanzleien: So identifizieren Sie Ihre Cash Cows

Schritt 4: Handlungsoptionen entwickeln für Rentabilität im Kanzleimanagement

Basierend auf Ihrer Analyse ergeben sich verschiedene Strategien:

  • Cash Cows pflegen: Konzentrieren Sie sich auf Qualität und Mandant:innenzufriedenheit.
  • Stars fördern: Überlegen Sie, ob Prozessoptimierungen den Aufwand reduzieren können (z.B. durch standardisierte Schriftsätze, Legal Tech).
  • Question Marks bewerten: Analysieren Sie, ob Mandate mit Optimierungen rentabler werden könnten – oder ob Sie sich davon trennen sollten.
  • Poor Dogs abbauen oder gezielt nach sozialem Wert einordnen: Hier kann eine konsequente Mandatsannahmepolitik helfen. Legen Sie Kriterien für neue Mandate fest, die sich an Ihrer strategischen Ausrichtung orientieren.

Schritt 5: Preise und Modelle anpassen

Die Portfolio-Analyse zeigt oft, dass manche Mandatsbereiche nicht kostendeckend sind. Dies kann Anlass sein, über alternative Vergütungsmodelle nachzudenken:

  • Pauschalhonorare für wiederkehrende Standardfälle
  • Erfolgshonorare (wo zulässig, gemäß § 4a RVG nur in bestimmten Grenzen)
  • Service-Abonnements für Unternehmensmandant:innen

Mandant:innen sind häufiger offen für neue Modelle, als viele Kanzleien erwarten. Entscheidend ist eine transparente Kommunikation über Mehrwert und Nutzen.

Schritt 6: Regelmäßige Überprüfung der Mandate etablieren

Eine einmalige Analyse reicht nicht aus. Ihre Kanzlei entwickelt sich ständig weiter – und Ihr Portfolio sollte sich mitentwickeln. Legen Sie daher feste Zyklen für eine Überprüfung fest, zum Beispiel einmal jährlich oder nach bedeutenden strategischen Änderungen.


Neben der klassischen Kanzleiarbeit können auch flexible Nebentätigkeiten zur „Cash Cow“ werden. Für selbständige Anwält:innen bieten sich telefonische Rechtsberatung, Chat-Beratung und außergerichtliche anwaltliche Leistungen an: Sie ermöglichen es, unabhängig vom Kanzleibetrieb schnell und effizient zusätzliches Einkommen zu generieren. Gerade in ruhigeren Phasen oder bei schwankendem Mandatsaufkommen kann diese Form der Beratung helfen, die Wirtschaftlichkeit der Kanzlei weiter abzusichern.


Mit Cash Cows zum Kanzlei-Erfolg: Wirtschaftlich denken, verantwortungsvoll handeln

Die Portfolio-Analyse muss kein aufwendiges Zahlenwerk sein. Schon mit etwas Selbstreflexion und einfachen Tools lässt sich erkennen, wo sich der Einsatz wirklich lohnt – und wie man Schritt für Schritt mehr unternehmerische Freiheit gewinnt. Wirtschaftliches Denken und Idealismus schließen sich dabei nicht aus. Eine kluge wirtschaftliche Steuerung hilft jedoch, diesen Idealismus langfristig zu ermöglichen: Gerade wer seine Cash Cows kennt und seine Kanzlei solide aufstellt, kann gezielt Ressourcen freisetzen, um auch dort zu helfen, wo finanzielle Aspekte nicht im Vordergrund stehen. Wirtschaftlicher Erfolg als Anwalt oder Anwältin muss keine Abkehr vom Idealismus sein, sondern seine Voraussetzung.


Anne

Anne

Anne hat Medien- und Wirtschaftswissenschaften studiert und in verschiedenen Print- & TV-Redaktionen gearbeitet, für Produktionsfirmen und als Producer. Bei der DAHAG schreibt sie unter anderem Online-Ratgeber zu diversen juristischen Themen.

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