Anwält:innen müssen Frist auch ohne Aktenzeichen wahren

In einer aktuellen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Sorgfaltspflichten von Verfahrensbevollmächtigten erneut geschärft: Auch wenn nach Einlegung einer Rechtsbeschwerde keine Eingangsbestätigung oder ein Aktenzeichen ergeht, bleibt die Pflicht zur fristgerechten Begründung unberührt. Wer in der Hoffnung auf eine behördliche Rückmeldung untätig bleibt, riskiert gravierende Konsequenzen – bis hin zur Unzulässigkeit der Beschwerde (BGH, Beschluss vom 20.08.2025 – XII ZB 69/25).
Inhalt
Wann beginnt die Begründungsfrist bei fehlendem Aktenzeichen?
Ein Anwalt legte in einer Unterhaltssache fristgerecht Rechtsbeschwerde ein. Doch da er weder eine Abgabenachricht vom Familiengericht noch eine Eingangsbestätigung oder ein Aktenzeichen vom Oberlandesgericht (OLG) erhielt, wartete er zunächst ab. Erst kurz vor Ablauf der Begründungsfrist reichte er die Begründung beim Amtsgericht (AG) ein, das jedoch nicht zuständig war und den Schriftsatz verspätet weiterleitete. Das OLG wies daraufhin die Beschwerde als unzulässig zurück und verweigerte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
BGH: Keine Wiedereinsetzung – Fristversäumnis vermeidbar
Der BGH folgte der Entscheidung des OLG und stellte klar: Die Verpflichtung zur fristgerechten Begründung der Beschwerde ergibt sich unmittelbar aus § 117 Absatz 1 Satz 2 FamFG – unabhängig davon, ob dem Verfahrensbevollmächtigten ein Aktenzeichen vorliegt. Es sei dem Anwalt zuzumuten gewesen, sich aktiv um die Kontaktdaten und das Aktenzeichen des Beschwerdegerichts zu bemühen. Ein einfaches Nachfassen per Telefon hätte ausgereicht.
Da die Fristversäumnis auf den Fehler des Anwalts zurückzuführen war, schloss der BGH die Möglichkeit der Wiedereinsetzung nach § 233 Zivilprozessordnung (ZPO) aus. Das Verschulden müsse sich der Mandant gemäß § 85 Absatz 2 ZPO anrechnen lassen.
Anwaltspflichten bei unklarer Verfahrenslage
Der Fall verdeutlicht, dass Anwältinnen und Anwälte auch bei formalen Unsicherheiten zur proaktiven Fristenwahrung verpflichtet sind. Ein fehlendes Aktenzeichen oder eine ausgebliebene Eingangsbestätigung befreien nicht von der Pflicht, die Beschwerdebegründung beim zuständigen Gericht einzureichen.
Checkliste für die anwaltliche Praxis
- Begründungsfrist beachten: Die 2 Monate nach § 117 Abs. 1 FamFG laufen ab Bekanntgabe des Beschlusses – nicht erst ab Erhalt eines Aktenzeichens.
- Aktives Nachfassen: Bei ausbleibender Bestätigung durch das Gericht ist eine telefonische oder schriftliche Nachfrage geboten.
- Zuständiges Gericht identifizieren: Die Einreichung bei einem unzuständigen Gericht wahrt die Frist nicht.
- Wiedereinsetzung nicht auf fehlende Rückmeldung stützen: Ein fehlendes Aktenzeichen stellt in der Regel keinen Wiedereinsetzungsgrund dar.