Berufung ohne Erfolgsaussichten: Anwältin zu Schadensersatz verurteilt
Nach einer wichtigen Entscheidung des Bundesgerichtshofs klärte eine Anwältin ihre Mandantin nicht über die Aussichtslosigkeit der Berufung auf. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main entschied zugunsten der Rechtsschutzversicherung ihrer Mandantin und verurteilte die Anwältin zu Schadensersatz für Mehrkosten. (Urteil vom 28.08.2024 – 3 U 193/23)
Inhalt
Ausgangslage: Fehlerhafte Beratung bei Berufung
Ein Mandatsstreit führte zur Frage, ob Rechtsanwält:innen ihre Aufklärungspflichten verletzen, wenn sie bei geänderter Rechtslage nicht über Erfolgsaussichten des Verfahrens informieren. Im verhandelten Fall ging es um eine Rechtsschutzversicherung, die Schadensersatz von der Anwältin einer Versicherungsnehmerin forderte.
Hintergrund war der Rechtsstreit der Versicherungsnehmerin, die Rückzahlungen aus einem widerrufenen Kreditvertrag einklagte und in erster Instanz verlor. 2018 legte die Anwältin Berufung ein. Zu diesem Zeitpunkt war die Rechtslage noch unklar, doch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) im April 2019 änderte die Erfolgschancen maßgeblich. Trotz Hinweis des OLG im November 2019, dass die Anfechtung aussichtslos sei, nahm die Anwältin diese nicht zurück. Letztlich wies das OLG die Berufung aufgrund des BGH-Urteils gemäß § 522 Absatz 2 ZPO zurück.
Entscheidung des Gerichts
Die Rechtsschutzversicherung, die die Kosten des zugrundeliegenden Verfahrens getragen hatte, nahm die Anwältin anschließend in Regress und das OLG Frankfurt entschied zugunsten der Klägerin. Die Anwältin hätte spätestens nach der Entscheidung des BGH (Beschluss vom 02.04.2019) zur Rücknahme der Berufung raten müssen. Für die unterlassene Rücknahme wurde sie zu Schadensersatz in Höhe von 2.292 Euro verurteilt.
Was Sie als Anwältin oder Anwalt aus diesem Urteil mitnehmen können
Rechtsanwält:innen sind nicht nur vor Beginn eines Rechtsstreits verpflichtet, Mandant:innen über ihre Aussicht auf Erfolg aufzuklären. Ändern sich die Fakten oder die Rechtslage später, müssen sie Mandant:innen erneut beraten. Eine bereits erteilte Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung entbinde nicht von dieser Pflicht.
- Kontinuierliche Aufklärungspflicht: Sie sind verpflichtet, Mandantinnen und Mandanten über Veränderungen der Rechtslage und deren Auswirkungen auf die Erfolgsaussichten ihres Verfahrens zu informieren.
- Pflicht zur Rücknahmeempfehlung: Bei Aussichtslosigkeit eines Rechtsmittels sollten Sie aktiv zur Rücknahme raten, um unnötige Kosten zu vermeiden.
- Unabhängigkeit von Deckungszusagen: Auch bei bestehender Rechtsschutzversicherung müssen Sie Ihre Aufklärungspflichten umfassend erfüllen.
- Anscheinsbeweis für beratungsgerechtes Verhalten: Unterlassen Sie die gebotene Aufklärung, wird vermutet, dass die Mandantin oder der Mandant bei ordnungsgemäßer Beratung entsprechend gehandelt hätte.
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