Generative KI im Anwaltsberuf: Ein Blick auf die neuen ethischen Richtlinien der ABA
Die American Bar Association (ABA) – die größte freiwillige Berufsorganisation für Juristinnen und Juristen in den USA – hat kürzlich eine wegweisende Stellungnahme zu den berufsrechtlichen Implikationen von „Generative Artificial Intelligence Tools“ (GenAI) für Anwältinnen und Anwälte veröffentlicht. Diese Entwicklung könnte auch für deutsche Anwältinnen und Anwälte wegweisend sein. Auch die Frage, ob der Einsatz solcher Technologien zur beruflichen Pflicht wird, wird diskutiert.
Inhalt
Umgang mit GenAI im Anwaltsberuf
Die ABA beschäftigt sich mit der Frage, wie Anwälte GenAI-Tools verantwortungsvoll einsetzen können, ohne dabei gegen berufsrechtliche Vorgaben zu verstoßen. Die Stellungnahme, die Ende Juli 2024 veröffentlicht wurde, ist primär für den US-amerikanischen Markt relevant. Dennoch weisen die behandelten Themen und Probleme große Ähnlichkeiten zu denen in Deutschland auf. Zudem stellt sich die Frage, ob die Nutzung von KI-Tools irgendwann nicht nur eine Option, sondern eine Pflicht für Anwält:innen werden könnte.
Die Bedeutung der ABA-Stellungnahme
Die ABA sieht in GenAI ein nützliches Werkzeug, das die Qualität und Effizienz juristischer Dienstleistungen steigern kann. Dennoch sind mit dem Einsatz solcher Technologien eine Reihe von Pflichten verbunden. Die Stellungnahme fordert Anwältinnen und Anwälte dazu auf, die Fähigkeiten und Grenzen der verwendeten KI-Tools genau zu verstehen und die Ergebnisse kritisch zu überprüfen. Die Einhaltung der Vertraulichkeit, die transparente Kommunikation mit Mandanten sowie die sorgfältige Überwachung der durch KI generierten Informationen sind weitere zentrale Anforderungen.
Die potenzielle Pflicht zur Nutzung von GenAI
Ein besonders interessanter Aspekt der ABA-Stellungnahme ist die Diskussion über eine mögliche Pflicht zur Nutzung von GenAI. Die ABA hebt hervor, dass Anwält:innen schon heute Schwierigkeiten hätten, kompetente juristische Dienstleistungen zu erbringen, wenn sie grundlegende Technologien wie E-Mail oder elektronische Dokumentenerstellung nicht beherrschen. Diese Argumentation lässt vermuten, dass ähnliche Anforderungen auch für fortschrittlichere Technologien wie GenAI gelten könnten.
Die ABA geht sogar so weit, dass sie nicht ausschließt, dass Anwaltskammern oder Gerichte in Zukunft die Nutzung solcher Technologien als Standard einfordern könnten, weil die fortschreitende Entwicklung und Verbreitung von GenAI-Tools die Erwartungen an die fachliche Kompetenz und Effizienz von Anwält:innen möglicherweise erheblich verändern. Wenn diese Technologien es ermöglichen, juristische Dienstleistungen schneller, präziser und kostengünstiger zu erbringen, könnte das Nichtnutzen solcher Tools als Versäumnis gewertet werden. Dies könnte dazu führen, dass Anwaltskammern und Gerichte den Einsatz von GenAI als notwendigen Teil einer sorgfältigen und zeitgemäßen Mandatsbearbeitung ansehen.
Anwaltsverpflichtungen beim Einsatz von GenAI
Die ABA gibt klare Leitlinien für den Einsatz von GenAI vor:
- Kompetenz: Anwält:innen müssen die Funktionsweise und Grenzen der eingesetzten KI-Tools grundsätzlich verstehen und sich kontinuierlich fortbilden. Den Ergebnissen dürfen Anwält:innen nicht blind vertrauen.
- Vertraulichkeit: Es muss sichergestellt werden, dass mandatsbezogene Informationen sicher behandelt werden, Mandant:innen über die Nutzung von KI informiert werden und dieser zustimmen.
- Kommunikation: Anwält:innen sollten offenlegen, wenn KI-Tools in ihrer Arbeit eingesetzt werden und sicherstellen, dass die Mandanten die damit verbundenen Risiken verstehen.
- Wahrheits- und Sorgfaltspflicht: Die durch KI generierten Informationen müssen überprüft werden, um falsche Angaben zu vermeiden.
- Aufsichtspflichten: Kanzleien müssen klare Richtlinien für den KI-Einsatz einführen und die Einhaltung dieser Richtlinien, zum Beispiel auch durch Mitarbeitende, überwachen.
- Honorare: Die Abrechnung von KI-Tools muss transparent und angemessen sein, wobei nur die tatsächlich aufgewendete Zeit und die direkten Kosten in Rechnung gestellt werden dürfen. Die Zeit, die Anwält:innen benötigen, um die Nutzung von GenAI zu erlernen, darf beispielsweise nicht abgerechnet werden. Die ABA empfiehlt Transparenz und Kommunikation in den Honorarvereinbarungen.
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