Stressfreie Buchführung: Wie Sie finanzielle Klarheit in Ihrer Kanzlei schaffen

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Beinahe leidenschaftlich entrückt erhebt Kaufmann Werner in Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre sein ökonomisches Ideal von Ordnung und Transparenz zum Leitsatz menschlichen Daseins, indem er äußert:

„Welche Vorteile gewährt die doppelte Buchhaltung dem Kaufmanne! Es ist eine der schönsten Erfindungen des menschlichen Geistes, und ein jeder gute Haushalter sollte sie in seiner Wirtschaft einführen.“

Den ein oder anderen bringt diese Aussage sicherlich zum Schmunzeln. Denn das Thema Buchführung dürfte in der Anwaltschaft größtenteils kaum für einen ähnlich frenetischen Ausbruch sorgen. Dennoch sollte das Thema Buchführung in der Kanzlei nicht zu stiefmütterlich behandelt werden. Denn ohne geordnete Finanzen wird es in der Kanzlei schnell unübersichtlich.

Warum lohnt sich Buchführung in der Kanzlei?

Das Handelsgesetzbuch besagt:

„Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen.“ (§ 238)

Nun könnte man an dieser Stelle denken „Glück gehabt!“. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind in der Regel Freiberufler nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG und daher keine Kaufleute im Sinne des HGB – solange sie ihre Tätigkeit nicht in einer Handelsgesellschaft (z.B. GmbH, AG) ausüben oder gewerbliche Tätigkeiten hinzutreten. Damit unterliegen sie auch nicht der Buchführungspflicht im Sinne des HGB.

Da liegt die Frage nahe „Warum sollte ich in meiner Kanzlei überhaupt Buch führen?“. Was mich nicht betrifft, kümmert mich nicht. Wäre da nicht noch § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).

Die Buchführung in einer Rechtsanwaltskanzlei dient besonders zwei Hauptzwecken: der betriebswirtschaftlichen Kontrolle und der Erfüllung steuerlicher Vorgaben. Sie ermöglicht Anwält:innen also einen genauen Überblick über die finanziellen Verhältnisse in der Kanzlei und gewährleistet die Einhaltung steuerlicher Vorschriften. Denn das UStG verpflichtet mindestens zur Feststellung steuerlicher Berechnungen, Aufzeichnungen zu machen.

Steuerliche Rahmenbedingungen für Anwaltskanzleien

Rechtsanwälte erzielen Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) und müssen diese Einkünfte folglich der Einkommensteuer unterwerfen. Daneben fällt auch die Umsatzsteuer an. Da eine Rechtsanwaltskanzlei in der Regel aber keinen Gewerbebetrieb im Sinne des Gesetzes darstellt, fällt für Anwälte keine Gewerbesteuer an.

Einkommensteuer

Das EStG unterscheidet grundsätzlich sieben Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7). Darunter Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Nach § 2 Abs. 2 EStG wird bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit der Gewinn als Bemessungsgrundlage angesetzt. Die Einkommensteuer knüpft also an den in der Kanzlei erzielten Gewinn an.

Umsatzsteuer

Einfacher gestaltet es sich bei der Umsatzsteuer. Freiberuflich tätige Rechtsanwälte sind grundsätzlich umsatzsteuerpflichtige Unternehmer. Die Honorarrechnungen enthalten (sofern keine Steuerbefreiung oder Kleinunternehmerregelung greift) regelmäßig 19 % Umsatzsteuer.

Arten der Gewinnermittlung in Ihrer Kanzlei

Es gibt zwei Methoden der Gewinnermittlung: den sogenannten Betriebsvermögensvergleich und die Überschussrechnung:

Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG)

  • Der Gewinn wird durch den Vergleich des Betriebsvermögens zu Beginn und Ende des Wirtschaftsjahres ermittelt.
  • Entnahmen und Einlagen werden berücksichtigt, um die wirtschaftliche Betätigung korrekt abzubilden.

§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG besagt hierzu:

„Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen.“

Schematisch dargestellt ergibt sich also folgende Rechnung:

 Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres
Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres
+Entnahmen im Wirtschaftsjahr
Einlagen im Wirtschaftsjahr
=Gewinn

Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG)

  • Diese Methode steht Freiberuflern zur Verfügung, die nicht zur Buchführung verpflichtet sind.
  • Der Gewinn wird als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben berechnet.
  • In der Praxis bevorzugen die meisten Anwaltskanzleien diese Methode, da sie einfacher zu handhaben ist.

Die Gewinnermittlung über die Überschussrechnung unterscheidet sich vom Betriebsvermögensvergleich insofern, dass zwar die Höhe des zu versteuernden Gewinns, auf die gesamte Existenzspanne des Betriebs, die gleiche ist, Sie aber zum Zeitpunkt, an dem die Steuer fällig wird, nicht bilanzieren müssen.

Was heißt das für Sie: Bei Bilanzierung erfassen Sie Honorare grundsätzlich bereits dann als Ertrag, wenn die Leistung erbracht und in Rechnung gestellt ist – unabhängig vom Zahlungseingang. Bei der EÜR dagegen zählt der Zu- und Abfluss: Einnahmen und Ausgaben wirken sich erst bei Zahlung auf den Gewinn aus.

In der Praxis erfolgt die Buchhaltung in Anwaltskanzleien in den meisten Fällen über die Überschussrechnung. Sie müssen also nicht, dem Kaufmanne gleich, in Ekstase verfallen, wenn Sie das Wort doppelte Buchführung hören, sondern können selbst entscheiden, wie Sie vorgehen möchten. Sollten Sie sich für eine Überschussrechnung entscheiden, fügen Sie Ihrer Steuererklärung die Anlage Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) bei. Es gilt § 60 Abs. 4 EStDV.

Vereinfacht gilt bei der Einnahmenüberschussrechnung:

 Betriebseinnahmen
Betriebsausgaben
±Korrekturen (z. B. private Nutzung, nicht abziehbare Kosten, Abschreibungen)
=steuerlicher Gewinn

Trennen Sie Betriebs- und Privatvermögen in Ihrer Kanzlei

Egal, für welche Art der Gewinnermittlung Sie sich entscheiden, davon unberührt bleibt, dass Sie eine saubere Trennung von Betriebs- und Privatvermögen vornehmen sollten, um eine korrekte steuerliche Behandlung zu gewährleisten. Denn jede Veränderung im Betriebsvermögen stellt eine steuerlich relevante Information dar, da sie sich auf den Gewinn auswirkt.

Vermögensgegenstände (oder steuerlich: Wirtschaftsgüter) in Ihrer Anwaltskanzlei können Sie wie folgt unterscheiden:

  • Wirtschaftsgüter, die zu mehr als 50 % betrieblich genutzt werden: Diese sind zwingend als notwendiges Betriebsvermögen zu führen.
  • Wirtschaftsgüter, die zwischen 10 % und 50 % betrieblich genutzt werden: Hier können Sie selbst entscheiden, ob Sie diese dem Privat- oder Betriebsvermögen zuordnen (gewillkürtes Betriebsvermögen)
  • Wirtschaftsgüter, die zu weniger als 10 % betrieblich genutzt werden: Diese sind immer als Privatvermögen zu handhaben.

Diese Grundsätze zur Zuordnung gelten für alle Wirtschaftsgüter Ihrer Kanzlei – vom Schreibtisch über den Laptop bis hin zum Kanzlei-Pkw. Je nach Anschaffungskosten greifen dabei unterschiedliche Abschreibungsregeln, insbesondere für sogenannte geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG).

Abschreibungen in der Kanzlei

Zum Anlagevermögen Ihrer Kanzlei zählen alle Wirtschaftsgüter, die Sie dauerhaft nutzen. Denken Sie beispielsweise an:

  • Büromöbel
  • Computer, Drucker, Telefonanlage
  • Kanzleifahrzeuge
  • Kanzleigrundstück (nicht abnutzbar)

Höherwertige Wirtschaftsgüter werden in der Regel über mehrere Jahre abgeschrieben. Für bestimmte „kleinere“ Anschaffungen gelten jedoch vereinfachte Regeln: die sogenannten geringwertigen Wirtschaftsgüter (GWG). Für sie hat der Gesetzgeber besondere Grenzwerte und Abschreibungsvereinfachungen vorgesehen.

Aktuelle Regeln für geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) und Sammelposten (Stand 2025):

  • Bis 250 € netto
    Sofort als Betriebsausgabe abziehbar.
  • 250,01–800 € netto
    Wahlrecht: Sofortabschreibung als GWG oder Aufnahme in einen Sammelposten.
  • 800,01–1.000 € netto
    Keine Sofortabschreibung, aber Bildung eines Sammelpostens möglich: Dieser Pool wird pauschal über fünf Jahre mit je 20 % abgeschrieben (§ 6 Abs. 2a EStG).
  • Über 1.000 € netto
    Reguläre Abschreibung über die voraussichtliche Nutzungsdauer (z.B. 3 Jahre für Computer, 6 Jahre für Pkw).

Beispiel Kanzlei-Pkw:

  • Nutzen Sie einen Kanzlei-Pkw zu mehr als 50 % beruflich, gehört er zwingend zum Betriebsvermögen. Die Privatnutzung können Sie entweder pauschal nach der 1-%-Regelung oder exakt über ein Fahrtenbuch ermitteln.
  • Liegt die betriebliche Nutzung zwischen 10 und 50 %, können Sie das Fahrzeug dem Betriebsvermögen zuordnen, müssen dann aber die Privatnutzung nach speziellen Regeln versteuern – hier lohnt sich Rücksprache mit der steuerlichen Beratung.
  • Bleibt die betriebliche Nutzung unter 10 %, ist der Pkw Privatvermögen. Betriebliche Fahrten können Sie pauschal mit 0,30 € je gefahrenem Kilometer als Betriebsausgabe ansetzen oder die tatsächlichen Kosten je Kilometer nachweisen.

Liegt die betriebliche Nutzung unter 50 %, aber über 10 %, können Sie den Pkw dem Betriebsvermögen zuordnen (gewillkürtes Betriebsvermögen), müssen die Privatnutzung dann aber nach speziellen steuerlichen Vorgaben ermitteln. Hier empfiehlt sich die Abstimmung mit Ihrer steuerlichen Beratung.

Wird der Pkw dem Privatvermögen zugeordnet, können Sie betriebliche Fahrten pauschal mit 0,30 € pro gefahrenem Kilometer als Betriebsausgabe ansetzen oder die tatsächlichen Kosten je Kilometer nachweisen.

Umsatzsteuer

Besteuerung der Leistungen

Als Rechtsanwältin/Rechtsanwalt sind Sie in der Regel umsatzsteuerpflichtig. Häufig können Sie die Ist-Besteuerung nutzen, bei der die Umsatzsteuer erst mit Zahlungseingang entsteht. Dafür ist ein Antrag beim Finanzamt notwendig – die Gestattung erfolgt z.B. aufgrund Ihrer freiberuflichen Tätigkeit oder weil Ihr Jahresumsatz unter der gesetzlichen Grenze (aktuell 800.000 €) liegt

Vorsteuerabzug

Anwält:innen können die gezahlte Umsatzsteuer auf Eingangsrechnungen als Vorsteuer abziehen, wenn sie über entsprechende Belege verfügen.

Praktische Umsetzung Ihrer Buchführung

Eine praxistaugliche Buchführung in der Kanzlei besteht im Kern aus:

  • Laufendem Journal
    Chronologische Erfassung aller Ein- und Auszahlungen (bei EÜR) bzw. Geschäftsvorfälle.
  • Anlageverzeichnis
    Übersicht über Ihr Anlagevermögen (Anschaffungskosten, Datum, AfA-Zeiträume).
  • Mandantenkonten
    Zuordnung von Forderungen und Zahlungen zu einzelnen Mandaten. Früher oft als Kostenblatt in der Handakte, heute idealerweise in der elektronischen Akte abgebildet.
  • Offene-Posten-Liste
    Liste aller offenen Honorarforderungen – ein unverzichtbares Instrument für Liquidität und Mahnwesen.

Moderne Buchhaltungs- und Kanzleisoftware kann vieles davon automatisieren (Belegerkennung, Bankabgleich, OP-Liste, Auswertungen). Wichtig ist, dass die eingesetzte Lösung die GoBD-Anforderungen an eine ordnungsmäßige, unveränderbare Buchführung erfüllt.


Leseempfehlung: „Arbeitsabläufe digitalisieren: Legal Tech-Lösungen, die Ihren Kanzleialltag erleichtern“.


Fazit: Effiziente Buchführung als Basis für Ihren Kanzleierfolg

Eine korrekte, effizient organisierte Buchführung ist mehr als eine lästige Pflicht:

  • Sie erfüllt Ihre steuerlichen Pflichten,
  • gibt Ihnen finanzielle Klarheit über Ihre Kanzlei
  • und ist Grundlage für strategische Entscheidungen – von der Personalplanung bis zur Frage, welche Mandatsarten wirklich profitabel sind.

Mit einer strukturierten EÜR, klarer Trennung von Privat- und Betriebsvermögen, sinnvoller Nutzung der Ist-Besteuerung und moderner Software können Sie Ihre Buchhaltung weitgehend entstressen – und sich auf das konzentrieren, was Sie am besten können: Mandant:innen beraten.


Uli

Uli

Uli hat Geschichtswissenschaften und englische Sprachwissenschaften studiert. Durch seine Arbeit in einer Anwaltskanzlei ist er 2024 bei der DAHAG gelandet. Im Kanzlei Update schreibt er über aktuelle Trends, Praxistipps und Strategien rund um Marketing und Digitalisierung in der Rechtsbranche.