Straffrei fluchen
Egal ob durch unfreundliche Nachbarn, respektlose Autofahrer oder rücksichtslose Passanten: Im Alltag gibt es regelmäßig Anlässe, die Nerven zu verlieren. In solchen Situationen kann es schnell vorkommen, dass impulsive Gesten oder unhöfliche Worte fallen. Allerdings ist nicht jeder Ausdruck direkt eine Beleidigung und wird mit einer Strafe geahndet.
„Alte Weiber“ keine Beleidigung
Das Landgericht Darmstadt (LG) hatte in den 1980er Jahren über einen kuriosen Fall zu entscheiden: Eine ältere Frau hatte die Bundesrepublik Deutschland verklagt, weil der Deutsche Wetterdienst in einem Wetterbericht den Begriff „Altweibersommer“ für eine Schönwetterperiode verwendete. Die Klägerin empfand diesen Ausdruck als beleidigend. Das LG Darmstadt wies die Klage der Frau allerdings mit der Begründung ab, dass die Personengruppe „ältere Frauen“ zu unbestimmt sei und die Meteorolog:innen des Wetterdienstes in keiner Weise Seniorinnen mit der Verwendung des Begriffs angreifen wollten. Allein die Tatsache, dass sich die ältere Dame von dem Begriff angegriffen fühlt, reicht für eine Beleidigung nicht aus (Az. 3 O 535/88).
Das gleiche gilt übrigens auch für den Ausdruck „alter Mann“. Das Oberlandesgericht Hamm (OLG) überprüfte eine Verurteilung wegen Beleidigung – dabei ging es um die Bezeichnungen „Opa“ und „alter Mann“. Das OLG Hamm entschied, dass die beiden Ausdrücke lediglich Tatsachenäußerungen wären und somit nicht als Beleidigung anzusehen seien. Der Schuldspruch wegen Beleidigung wurde aufgehoben (Az. 1 RVs 67/16).
Ausdrücke „Trulla“ und „Dummschwätzer“ keine Schmähkritik
Ein Mann, der sich in Sicherungsverwahrung befand, wurde wegen der Beleidigung einer JVA-Mitarbeiterin zu einer Geldstrafe verurteilt. Wegen Computerproblemen war das für Einkäufe verfügbare Taschengeld des Mannes noch nicht korrekt gebucht. Weil er befürchtete, dass das Geld nicht rechtzeitig für seinen Einkauf zur Verfügung stehen und er deshalb nichts bestellen könne, suchte er die Sozialarbeiterin in ihrem Dienstzimmer auf. Da er das Gefühl hatte, sie wolle ihm nicht helfen, wurde er wütend und bezeichnete sie im Rahmen eines Wortschwalls als „Trulla“. Dafür wurde er vom Amtsgericht Schwalmstadt (AG) wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Landgericht (LG) Marburg verwarf seine Berufung als unzulässig. Vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte die Verfassungsbeschwerde des Mannes nun aber Erfolg. „Trulla“ ist in diesem Fall weder als Beleidigung noch als Schmähkritik einzustufen, so das BVerfG (Az. 1 BvR 2249/19).
Das BVerfG musste in einem früheren Fall beurteilen, ob die Bezeichnung „Dummschwätzer“ als Schmähkritik gilt, oder ob die Äußerung wegen der geltenden Meinungsfreiheit rechtmäßig ist. Zuvor war es zwischen zwei Stadträten zu einem beleidigenden Wortgefecht gekommen. Die Karlsruher Richter:innen mussten konkret abgrenzen, ob in diesem Fall die Diffamierung im Vordergrund stand und deswegen eine Beleidigung vorlag oder ob es sich dabei nur um eine – straflose – Meinungsäußerung und Stellungnahme gehandelt hatte. Das Ergebnis fiel zugunsten der freien Meinungsäußerung aus: Zwar kann die Bezeichnung als „Dummschwätzer“ sehr wohl als Beleidigung strafbar sein. Im konkreten Fall allerdings nicht, weil sie sich auf die vorangegangene Aussage des anderen Stadtrats bezog (wechselseitige Beleidigung). Außerdem handelt es sich bei dem Begriff nicht um ein besonders abfälliges Schimpfwort, im Gegensatz zu Fäkalsprache (Az. 1 BvR 1318/07).
Die Moral von der Geschichte: Auch wenn Sie nicht immer mit einer Strafe rechnen müssen, sollten Sie Ihre Mitmenschen besser nicht beleidigen.
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